So viele spirituelle Richtungen es gibt, so viele Meditationstechniken gibt es auch. Meines Erachtens ist es wichtig, sich früher oder später für eine Meditationsform zu entscheiden. Diese Wichtigkeit begründet sich nicht zuletzt darin, dass jede Meditationsform unmittelbar auf unser Gehirn Einfluss nimmt und es – so zeigen CT-Aufnahmen, die von meditierenden Mönchen gemacht wurden – zu Veränderungen kommt. Entgegengesetzte Wirkweisen können hier – vergleichbar mit Medikamenten – unangenehme Folgen mit sich bringen. Und unser Gehirn ist in höchstem Maße sensibel.
Umso wichtiger ist es mithin auch, sich klar bewusst zu machen, welche Meditation man praktiziert und wie sie wirkt. Buddha Gautama lehrte im Wesentlichen eine Form der Meditation: Vipâssana – die „Einsichts“- oder „Erkenntnismeditation“. Diese findet in meinen Kursen häufig Anwendung.
Gemeinhin wird in der buddhistischen Tradition zwischen Vipâssana- und Metta-Meditation unterschieden. Metta-Meditation, die in meinen Kursen ebenfalls praktiziert wird, ist die so genannte Herz- oder Liebende-Güte-Meditation. Allerdings unterscheide ich anders als die Tradition nicht zwischen vipâssana und metta, sondern nach vipâssana-anapanasati (anapanasati = Atemachtsamkeit) und vipâssana-metta-bhavana. Warum? „Vipâssana“ bedeutet soviel wie „Einsicht“ oder „Erkenntnis“. Nun hat jede Meditation ein Meditationsobjekt. Klassischerweise sagt man, ist das bei der vipâssana-Meditation der Atem. Es muss aber nicht der Atem sein; Buddha hat über hundert Meditationsobjekte gelehrt. Entscheidend ist lediglich die Erlangung von Erkenntnis.
Und wie erlangt man Erkenntnis?
Wie im täglichen Leben: Durch Forschen und Beobachten.
Und wie forscht und beobachtet man?
Nun, meist wird gelehrt, man solle sich in der Meditation auf den Atem konzentrieren und möglichst jeden Gedanken unterdrücken, der aufsteigt und der uns von der Betrachtung unseres Atems abbringt. Allerdings besteht die Einsicht in der Einsichtsmeditation darin, zu betrachten und zu verstehen, wie unser Geist funktioniert; unsere Wahrnehmung, unser Denken, unsere Interpretation, unsere Wünsche und Begierden – all das läuft nach ganz bestimmten Mustern und Prozessen ab, und diese gilt es in der Meditation zu erforschen.
Meditation ist die Erforschung unserer kognitiven Wahrnehmung mit dem Ziel, uns selbst zu erkennen und zu verstehen.
Den Geist frei schweben lassen
Ich kann aber meine Gedanken nur erforschen, wenn sie da sind! Also wird in der vipâssana-Meditation nichts unterdrückt, sondern alles einfach betrachtet – mit „freudvollem Interesse“, wie Buddha sagt. Das bedeutet für die Praxis der Sitzmeditation:
Das Meditationsobjekt dient lediglich als Heimathafen, um sich nach einer Ablenkung (wenn wir also von einem Gedanken weit weg getragen worden sind), wieder zu sammeln. Wir bleiben aber nicht auf diesem stehen, sondern nehmen das Meditationsobjekt als bestehend zur Kenntnis, lassen dabei unseren Geist frei schweben und beobachten, wie er sich ganz von allein von hier nach dort, und von dort nach da bewegt. Wir lassen ihn frei schweben durch die Peripherie, in der uns – nach Möglichkeit – nichts entgeht. Der Begriff Meditationsobjekt ist insofern auch etwas irreführend, denn es ist nicht das eigentliche „Objekt der Betrachtung“. Es wird nicht „auf den Atem meditiert“, sondern auf die „zehntausend Erscheinungen“ (Laotse) und unsere Reaktion auf sie.
Wenn man auf diese Weise meditiert, dann verliert die Frage, welches Meditationsobjekt wir nehmen, an Bedeutung. Im vipâssana-anapanasati ist es durchaus der Atem, in der vipâssana-metta-bhavana ist es das Gefühl von Freude und Herzenswärme, eben Liebende-Güte, welches aus uns heraus strahlt. So erklärt sich, dass ich die ursprüngliche Unterscheidung im Einklang mit der Lehre des Buddha aufhebe.
Und worin besteht die Erkenntnis?
Hierüber zu schreiben würde jeden Rahmen sprengen – und wäre zugleich nie erschöpfend! Etwas vereinfacht aber kann man sagen: Buddha erkannte, dass unser Leid darin besteht, dass wir das, was uns geschieht, persönlich nehmen. Das bedeutet, wir stellen einen irgendwie gearteten Bezug zwischen einem Ereignis und uns her. In der Meditation aber sehen wir die Erscheinungen in uns und außerhalb von uns als eine reine Kette von Entstehungsprozessen, die gänzlich unpersönlich sind. Eine Wahrnehmung entsteht zB aus Farbe und Form, das auf das Auge trifft – nur Vorgang. Aus einer Wahrnehmung wird (im Falle einer schönen Blume) ein behagliches oder (im Fall einer Müllkippe) ein unbehagliches Gefühl – ganz unpersönlich, nur Vorgang. Aber plötzlich sagen wir: „Ich finde das ekelhaft“ … wo kommt dieses Ich plötzlich her? Diese so genannte „Kette des Bedingten Entstehens“ setzt sich natürlich fort, aber dies soll reichen, um einen Eindruck zu vermitteln, was in der Meditation erkannt werden mag.
Dies muss aber jeder selbst durch eigenes Erleben in der Meditation erfahren haben, sonst bleibt es blanke Theorie wie Philosophie oder einfaches Glauben wie Religion; beides führt nicht zu Erkenntnis und zu Befreiung von Leid. Und so sagte der Buddha
„EHI-PASSIKO – komm und sieh’ selbst“
Die Meditation der Liebenden-Güte ist eine der traditionellen Meditationspraktiken des Buddhismus; sie geht zurück auf eine Lehrrede des Buddha Gautama (‘Metta-Sutta’, Sutta-Nipata 1,8) und ist seit jeher wesentlicher Bestandteil vor allem der Geisteshaltung des Theravada-Buddhismus. Die Grundidee ist einfach: Wenn ich in Gedanken, Worten und Werken freigiebig bin mit Liebender-Güte, dann kann ich die Menschen um mich herum froh machen. Die Menschen froh zu machen bringt auch in mir ein Gefühl von Freude hervor. Dieses gibt mir die Kraft, anderen Menschen Liebende-Güte zu schenken.
Jede Meditation hat ein Meditationsobjekt. Im Fall der Metta-Meditation ist das Meditationsobjekt das Empfinden und Aussenden des Gefühls Liebender-Güte. Man bringt in sich ein Gefühl von Freude hervor, das in der Brust spürbar ist; in dieses legt man den Wunsch nach
- Sicherheit und Freiheit von Bedrohung
- Frieden und Freiheit von geistigem Leid
- Gesundheit / Freiheit von körperlichem Leid
- Achtsamkeit und ein glückliches Leben
Diese Wünsche äußert man zunächst für sich, dann für eine geschätzte Person, dann einen Personenkreis und schließlich für alle Wesen im gesamten Kosmos.
Lass dich nicht vom Unheilsamen überwinden,
Röm. 12,21
sondern überwinde das Unheilsame mit Heilsamem.
Anfragen
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Beitragsbild: Daniel Calabrese from Pixabay