Hier nun der dritte Teil meiner kleinen, auf Youtube als Video erschienenen Adventsserie über die vier großen Themen der Adventssonntage im Vergleich zur Lehre des Buddha.
Am heutigen Sonntag ist der 3. Advent, und wie in den ersten beiden Folgen werden wir uns auch heute einmal ein wenig mit dem Thema beschäftigen, mit dem dieser Adventssonntag überschrieben ist. Und auch heute wollen wir wieder schauen, welche Parallelen es zur Lehre des Buddha gibt.
Der 2. Advent war überschrieben mit dem Thema „Johannes der Täufer“. Hierzu haben wir gesagt, dass die Taufe mit Wasser durchgeführt wird, und dass das Wasser im Daoismus und der chinesischen Medizin assoziiert ist mit Winter, und ferner mit „in die Stille gehen“, Kontemplation, Innenschau usw. Und wir sagten, in der TCM folgt im Kreislauf der Elemente dem Wasser das Holz, seinerseits assoziiert mit Frühling, und ferner mit Neubeginn, (spirituellem) Wachstum, Streben in die Höhe, Zeitenwende.
Und so, wie das Vorhandensein von Wasser Voraussetzung dafür ist, dass Holz austreiben und wachsen kann, so sind die Stille, die Kontemplation und die Innenschau Voraussetzung für für den Wandel und Neubeginn. Und so lehrt der Buddha ebenfalls zunächst samatha-, also Ruhemeditation, und dann vipassanā, also Erkenntnis.
Grundlegende Voraussetzung aber von all dem ist, dass man bereit ist, sich loszusagen von eingestaubten Regeln, Riten, Ritualen, von Denk- und Verhaltensmustern, Glaubenssätzen, Stereotypen usw. Diese Bereitschaft, die vor der tiefen, intuitiven und meditativen vipassanā-Erkenntnis steht, wird im Buddhismus „kleine Weisheit“ (sutamayāpaññā) genannt. Es ist das zunächst rein intellektuelle Verstehen der Lehre des Buddha, welche die Initialzündung dafür darstellt, das Alte, Verstaubte, streng Dogmatische loszulassen, um sich dann dem Neuen hinzugeheben und an ihm zu wachsen. Jesus wählte hierfür die kraftvollen Worte in Matth. 8,22: „Lass die Toten ihre Toten begraben – Du aber folge mir nach!“
Mit diesem und weiteren Aspekten werden wir uns heute beschäftigen, wenn es am 3. Advent abermals um die Taufe und um Johannes den Täufer geht.
Heute beginnen wir einmal damit zu schauen, welchen weiteren Aspekt wir mit Wasser der Taufe assoziieren, nämlich die Symbolkraft der Reinigung. Und hier unterscheiden sich die christliche Kirche und der Buddhismus zunächst. Bereits in der letzten Stunde haben wir gesehen, dass in der siebten Lehrrede des Majjhima Nikāya, der mittleren Lehrredensammlung, der Buddha deutlich machte, dass er von symbolischen Waschungen rein gar nichts hält. Er sieht das Erfordernis, im „inneren Bade zu baden“, sich also innerlich zu reinigen.
Und auch die Taufe gibt es im Buddhismus nicht. Wie aber wird man Buddhist, wenn nicht durch eine Taufe? Dies geschieht, indem man für sich selbst und ohne Dazutun eines Dritten entscheidet, dass man den Weg der Selbsterkenntnis und der Liebe gehen möchte. Und dies eben auf Grundlage von „kleiner Weisheit“, also dem intellektuellen Verständnis dessen, was der Buddha lehrt. In vielen Lehrvorträgen wie etwa Majjhima Nikāya 51, 13 beschreibt der Buddha den ersten Schritt dorthin: Wenn einer die Lehre des Buddha hört, erlangt er Vertrauen in die Lehre. Im Besitz dieses Vertrauens reflektiert er: „Das normale, bürgerliche Leben ist eng und staubig; das spirituelle Leben ist weit und offen. Führt man ein bürgerliches Leben ist es nicht leicht, das heilige Leben zu führen, welches zutiefst vollkommen und rein ist wie eine polierte Muschel.“
Was viele übrigens nicht wissen werden ist, dass Jesus selbst nie getauft hat, lediglich seine Jünger. Was es damals aber schon gar nicht gab war die Taufe von Kleinkindern und Säuglingen. Das zeigt, dass man auch in der frühen christlichen Kirche abstellte auf Freiwilligkeit nach Reflexion und Verständnis, und dies zeitigen erst zumindest junge Erwachsene. Die Taufe von Klein- und Kleinstkindern gibt es erst seit dem 5. Jh. nach Chr. Der Buddha würde hierzu sagen, wenn so einfach wäre, ins Paradies zu kommen, dann bräuchten wir uns keine Sorgen zu machen – einfach seinen Säugling taufen lassen und er ist errettet.
Im Prinzip sieht die konservative christliche Kirche das so; neuere Strömungen hingegen – beginnend etwa Anfang des 20. Jh. – stehen dem sehr kritisch gegenüber und verlangen eine Reformierung. Buddhistisch ausgedrückt verlangen auch sie zunächst die Erlangung „kleiner Weisheit“, bevor man die Taufe empfangen kann. Im frühen 16. Jh. gab es schon einmal eine solche Bewegung, die der Wiedertäufer. Im Jahr 1527 schieb einer von ihnen:
„Die Taufe soll allen denen gegeben werden, die über die Buße und Änderung des Lebens belehrt worden sind und wahrhaftig glauben, dass ihre Sünden durch Christus hinweg genommen sind, und allen denen, die wandeln wollen in der Auferstehung Jesu Christi und mit ihm in den Tod begraben sein wollen, auf dass sie mit ihm auferstehen mögen, und allen denen, die es in solcher Meinung von uns begehren und von sich selbst aus fordern. Damit wird jede Kindertaufe ausgeschlossen […]. Dafür habt Ihr Beweise und Zeugnisse in der Schrift und Beispiele bei den Aposteln.
Nun, wer hätte es vermutet? Sie endeten nachdem sie – übrigens in meiner Geburtsstadt Münster – öffentlich zu Tode gequält und dann in Käfigen an einem Kirchturm aufgehängt und zur Schau gestellt wurden.
Johannes nun gibt uns die Möglichkeit zu wählen zwischen dem richtigen und dem falschen Weg – darüber sprachen wir beim letzten Mal. Wählt man den falschen Weg, droht er mit der Strafe ewiger Verdammnis: „Die Bäume, die keine Früchte tragen, werden abgeschlagen und ins Feuer geworfen.“
Im Buddhismus gibt es allerdings keinen freien Willen, und somit auch keine Strafe und Maßregelungen. Was es hingegen gibt ist kamma, das Gesetz, gemäß welchem man zwangsläufig erntet, was man vorsätzlich herbeigeführt hat. Und das unabhängig davon, dass der Wille, dem der Vorsatz zugrunde liegt, nicht frei entstanden ist – für den Willensimpuls können wir nämlich nichts. Für vorsätzliches Handeln aber durchaus. Kamma, gut oder schlecht, entsteht also erst, wenn wir bewusst und gewollt eine Handlung oder ein Unterlassen begehen.
Die Lehre vom Bedingten Entstehen lehrt hierzu, dass unheilsamer Vorsatz aus Unwissenheit (avijjā) entsteht: Sind wir geläutert, dann wird aus Unwissenheit Erkenntnis (vijjā); entsteht Vorsatz aus Erkenntnis, dann entsteht heilsames kamma. Dieser Prozess ist dynamisch und vollzieht sich in vielen Schattierungen. Und er kumuliert schließlich in Nibbāna, also Erleuchtung, dem was im Christentum „Erlösung“ genannt wird.
Kommen wir zurück zu Johannes dem Täufer: Welche Beziehung besteht nun zwischen ihm und Jesus? Wir können sagen: Johannes hat mit seinen harten Worten, seinen Drohungen und der Inaussichtstellung ewiger Verdammnis und Qual die Herzen derjenigen zerschmettert, die vorher brav und gesetzestreu aber heuchlerisch und nach den Vorstellungen der Schriftgelehrten und Pharisäer gelebt hatten. Sie waren bereit zur Umkehr, Aber: Mit einem zerschmetterten Herzen kann man nicht weiterleben. Man geht zugrunde, innerlich wie äußerlich. Und dann bricht Jesus unvermittelt in diese Tauf-Situation am Jordan herein und er tritt die Nachfolge Johannes d. Täufers an; gleichzeitig aber macht er einen wichtigen Cut: Statt nämlich weiterhin zu drohen mit Bestrafung und ewiger Verdammnis, tritt er sie an als einer, der die zerschmetterten Herzen wieder zusammenfügt. Durch Mitgefühl, Verständnis, Vergebung, Annahme, Loslassen der Vorwürfe – in einem Wort: Durch Liebe.
Und ebenso tat es der Buddha, aber dieser zerschmetterte nicht die Herzen anderer Menschen, um sie wieder zusammenzufügen, sondern er tat dies in seiner eigenen Person. Er lebte in jahrelanger und strengster Askese bis er schon dem Tode nahe war in der Meinung, auf diese Weise Befreiung zu erlangen. Unter dem Bodhibaum erkannte er aber endlich, dass er sich nur sinnlos gequält und gegeißelt hat. Er ließ alles los, was er von den Asketen und Brahmanen gelernt hatte und begann, sich selbst in Vergebung, Liebe, Sanftmut und Verständnis zu begegnen. Und dann plötzlich erfuhr er Erleuchtung. Damit ist der Buddha, wenn man so will, in einer Person die Dialektik zwischen Johannes und Jesus.
Ich wünsche Euch von Herzen einen schönen dritten Advent! Bleibt gesund, achtsam und in Liebe.
Amituofo 🙏
Shi Miao Dao – 释妙道
Beitragsbild: Myriams Fotos auf Pixabay